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Das Homeoffice auf der emotionalen Ebene vermeiden

Peter Ippolito über die Zukunft von Arbeitswelten

Ein Interview von Leif Hallerbach mit Peter Ippolito.

Sind durch die Corona-Pandemie veränderte Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitswelten spürbar?

PI: Viele Unternehmen reduzieren Bürofläche, weil sie gelernt haben auch mit weniger Präsenz gut auszukommen. Dabei spielt es sicher auch eine Rolle, dass viele Büros nicht mehr zum Eigentum des Unternehmens gehören, sondern für eine größere Flexibilität gemietet werden. Ein aktuelles Thema, dass viele noch vor sich haben, ist die Transformation von repetitiven Flächenlayouts mit aneinandergereihten Arbeitsplätzen hin zu lebendigen Arbeitslandschaften. Denn der Druck durch die veränderten Anforderungen und Erwartungen der Mitarbeiter an die Büroumgebung wird stärker. Hier verändert sich gerade sehr viel, weil auch die Unternehmen aufgeschlossener sind.

 

Die Pandemie hat unter anderem zu einer Verlagerung der Arbeit geführt. Was bedeutet das für das zukünftige Verhältnis von Wohn- und Arbeitsräumen?

PI: Ganz allgemein gesagt, müssen wir in Bezug auf das Homeoffice auf der emotionalen Ebene vermeiden, dass man jeden Tag mit der Arbeit aufsteht und irgendwann mit ihr ins Bett geht. Dafür brauchen wir Typologien. Bei höheren Einkünften kommt das Arbeitszimmer wieder ins Spiel, dass bei den Wohntypologien in den letzten Jahren weitestgehend verloren gegangen scheint. Allerdings glaube ich nicht, dass es relevant ist, einen vollwertigen Büroarbeitsplatz zuhause zu integrieren. Bei den heutigen Quadratmeterpreisen können sich das viele schlicht nicht leisten. Es gibt aber eine Vielzahl von Lösungen für Zwischenräume auch in kleineren Wohnungen, die vermeiden, dass ich den Computer auf dem Esstisch stehen habe. Hierfür braucht es Ideen, um zum Beispiel Möbel flexibler zu machen oder ein Mindestmaß an Diskretion und ergonomischem Komfort auch auf kleinem Raum zu erhalten. Für uns als Gestalter ist das eine Einladung kreativ zu sein und eine tolle Chance.

 

Welche Anreize braucht umgekehrt eine Büroumgebung, um heute attraktiv zu sein?

PI: Im Büro fallen die Arbeitsplätze weg, die auch woanders sein können. Der Schreibtisch als klassischer Ort der Konzentration wird daher in Büros sicher reduziert werden. Dafür nehmen Themen zu, die sich um Zusammenhalt, Integrität und Unternehmenskultur drehen. Die Aufgabe wird es sein, Innovations- und Kollaborationsprozesse im Büro zu schaffen, die in den Spirit und die Energie des Unternehmens eingebettet sind. Gerade weil Mitarbeiter von überall arbeiten können, hat das Büro eine große integrative Kraft, um Menschen zusammenzuführen. Hier werden die Werte und die Sinnhaftigkeit der Arbeit vermittelt.

 

Wie kann das konkret gelingen?

PI: Das Büro muss ein Ort sein, an dem ich sein möchte und nicht sein muss. Damit ist unterschwellig ein Paradigmenwechsel verbunden, der von jedem Unternehmen anders gelebt wird. New Work und die Gestaltung der Arbeitsumgebung bilden ja nur die Oberfläche ab. Eine umfassende Idee von Arbeit zu vermitteln kann nur glaubwürdig gelingen, wenn sie durchgängig ist und auch die jeweilige Führungskultur, Organisation, Prozesse etc. des Unternehmens betrifft. Das ist häufig mit einem Wechsel der traditionell vertikal organisierten Entscheidungsstruktur in eine eher horizontal angelegte Struktur verbunden. Wenn die stärkere Einbindung der Mitarbeiter gewollt ist, brauchen diese auch Raum zur Entfaltung. Das geht allerdings weit über die Gestaltung der Büroumgebung hinaus, weil es um die Verhandlung des Miteinanders geht.

 

Welche Rolle kann das Interior Design dabei spielen?

PI: Das Interior Design bringt die Unternehmenskultur zum Ausdruck. Der Prozess der Gestaltung hat daher ganz viel damit zu tun, das Unternehmen wirklich zu kennen und es unverwechselbar zu machen. Es geht darum, dass Büro zu einem Ort zu machen, an dem für die Mitarbeiter die Führungsidee, Unternehmenskultur und Wertschätzung erfahrbar wird. Die Gefahr besteht hierbei in der gut gemeinten, aber sinnfreien Verteilung von trendigen Arbeitsmöbeln. Es geht vielmehr um die Schaffung eines „Markenraums“, in dem der Mitarbeiter gut aufgehoben ist, gefordert und gefördert wird und anregende, auch ungeplante Begegnungen haben kann – eine Balance aus Sicherheit und Inspiration.

 

Wie lassen sich die unterschiedlichen Ansprüche, die zum Beispiel verschiedene Generationen an die Arbeitsumgebung haben, dabei verbinden?

PI: Ich glaube, es geht dabei weniger um das Alter. Es gibt heute vielmehr sehr unterschiedliche Arten zu arbeiten. Die Aufgabe der Innenarchitektur ist es, der Vielfalt der Arbeit einen Raum und eine einladende Gelegenheit zu geben. Das Schöne ist ja, dass wir heute Räume mit einem breiten Angebot gestalten können. Es kommt aber weniger darauf an, was wir bauen, sondern auf den Prozess dorthin. Die Menschen mit ihren Bedürfnissen bei diesem Prozess mitzunehmen, ist mindestens genauso wichtig, wie das, was wir gestalten. Das macht es für uns extrem spannend, weil wir von einer eher starren Gestaltungsidee hin zu einer dynamischen Gestaltung von Prozessen kommen. Ein Projekt ist nie fertig, sondern verändert sich ja ständig weiter. Diese Weiterentwicklung müssen wir mitdenken und eventuell dann auch begleiten.

 

Es geht also um eine Gestaltung des Wandels?

PI: Veränderung ist immer mit Ängsten oder mit Hoffnung verbunden – das haben wir ja bei den Debatten um das Homeoffice gesehen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass unsere Gesellschaft sich ständig verändert und diesen Wandel als Chance begreifen. Eine gut gestaltete Arbeitswelt kann die produktive Seite von Veränderung erlebbar machen. Sie bildet den Menschen nicht als Teil eines Systems ab, sondern vermittelt ihm, dass er wichtig ist.

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