Im Interview mit dem Newsportal der Kölner Möbelmesse imm erklären wir u.a., wie wir Walter Knoll auf der Messe positioniert haben und warum unsere Kunden sich nach Geschichten sehnen.
Gunter Fleitz, Peter Ippolito, für die imm cologne 2014 haben Sie den Messestand für Walter Knoll gestaltet. Generell: Was sind die vorrangigen Kriterien, um die Markenphilosophie eines Unternehmens in einem Messestand zum Ausdruck zu bringen?
Dafür haben auch wir kein Universalrezept. Messen sind akustisch wie visuell laut: Eine Flut von Markenauftritten ergießt sich über die Besucher. Hier gilt es zunächst aufzufallen und hinterher in Erinnerung zu bleiben. Markenbotschaften sind sehr komplex. Diese Komplexität gilt es zu bündeln und in ein eingängiges, merkbares Bild zu übertragen. Hilfreich ist es, wenn man die Besucher überraschen kann, ihnen ein Erlebnis bietet. Wir versuchen dann immer, quer auf die Marke zu schauen, um sie neu und frisch zu präsentieren. Dieses »neu sehen« muss nicht permanent, sollte aber periodisch passieren.
Markenbotschaften sind sehr komplex. Diese Komplexität gilt es zu bündeln.
Wenige Wochen zuvor wurde der ebenfalls von Ihnen gestaltete neue Showroom von Walter Knoll in Herrenberg eröffnet. Inwieweit übersteigen Projekte dieser Art für einen Hersteller die Frage nach räumlicher Gestaltung und Produktpräsentation; inwieweit schließen sie die Reflexion des grundsätzlichen Selbstverständnisses Ihrer Kunden ein? Wie findet die Zusammenarbeit statt?
Wenn man für einen so renommierten Hersteller im Einrichtungsbereich Räume entwerfen soll, ist das natürlich ein intensiver Prozess. Wir haben viel kommuniziert und diskutiert – und das über einen langen Zeitraum. Der erste Output war dann der Showroom in Herrenberg. Dieser war sozusagen die Blaupause der neuen Markenarchitektur, die definiert, wie sich Walter Knoll zukünftig am POS präsentiert. Da nehmen natürlich viele Faktoren Einfluss: Markenbild, Visionen, Vertriebspolitik, die Geschichte der Marke. Insofern bedeutet eine Veränderung im Auftritt nach außen auch einen tiefgreifenden Wandel nach innen.
Im Gastronomiebereich arbeiten Sie unter anderem mit Restaurantketten wie etwa Waku Waku, Wienerwald oder Not Guilty zusammen, bei denen es immer auch um eine Markenkontinuität geht. Wie findet man die Balance aus Identität des Einzelstandorts und Gesamtmarkenauftritt? Welche Rolle spielt Typisierung einerseits, Customizing andererseits?
Die Balance entwickelt sich aus dem Konzept. Dabei spielt es eine große Rolle, was die Marke braucht und was ihr angemessen ist. Ist sie auf Wiedererkennbarkeit ausgerichtet, wie beispielsweise holyfields, wird das Grundsystem stark ausdefiniert und lediglich an wechselnde Grundrisse angepasst. Andere Konzepte erlauben und verlangen wiederum ein höheres Maß an Individualisierbarkeit. Die Hotelkette Motel1 integriert beispielsweise an ihren Standorten regionale Themen und Motive in die Wandabwicklung. Oder denken Sie an Aesop, dort ist die Gemeinsamkeit, dass kein Shop dem anderen gleicht. Letztendlich ist es natürlich auch eine Frage der Geschwindigkeit und der Größe des Roll-outs. Bei einem Projekt unserer Chinaprojekte konzipieren wir gerade einen Roll-out für über 100 Läden, da muss natürlich stark standardisiert werden.
Das Wohnen sehen wir als den intimsten Moment der Identitätsarchitektur.
Neben Architektur und Interior zeigt sich Kommunikationsdesign als selbstverständlicher Teil Ihrer Arbeit. Wie wichtig ist Interdisziplinarität generell, einschließlich der Kooperation mit externen Spezialisten?
Es gehört für uns zu den schönsten Aufgaben, wenn wir Projekte disziplinübergreifend realisieren dürfen. Raum und Kommunikationsdesign greifen dabei über die Idee ineinander. Wenn diese gut ist, kann man sie auf den Raum wie auf einzelne Medien übersetzen. Dabei kommt uns die interdisziplinäre Struktur unseres Büros zugute, wo neben Architekten und Innenarchitekten auch Produkt- und Kommunikationsdesigner arbeiten. Zusätzlich holen wir uns gern und häufig externe Spezialisten in unsere Projektteams. Die Bandbreite reicht hier von Künstlern oder Textildesignern bis zum Programmierer.
Ein weiteres wichtiges Feld Ihrer Tätigkeit ist der Bereich Wohnen. Inwieweit ist dort die angesprochene Verbindung der Disziplinen bedeutsam? Welche Rolle spielen Identität und das Denken in ganzheitlichen räumlichen Zusammenhängen im Privaten; haben sich Wohnkonzepte in dieser Hinsicht, auch mit Bezug auf gewandelte Lebensvorstellungen und -stile, geändert?
Das Wohnen sehen wir als den intimsten Moment der Identitätsarchitektur. Unsere Kunden wollen sich wohlfühlen und trotzdem mit ihren privaten Räumen auch repräsentieren. Gleichzeitig verschmelzen die Lebenswelten: Arbeitswelten werden wohnlicher und Wohnräume werden beeinflusst von Hotel- und Gastrowelten oder Retailinszenierungen. Viele Kunden zeigen uns Fotos von solchen Orten, die sie in Magazinen gesehen oder selbst aufgenommen haben. Design ist praktisch überall verfügbar, wird aufgesogen und prägt unsere Wahrnehmung, unsere Erinnerungen. Es gilt, jenseits dieser konsumierten Bilder etwas zu finden, das im intimsten Bereich etwas Unverwechselbares schafft. Hier hilft uns u.a. unser interdisziplinärer Ansatz. So setzen wir gern Grafiken als raumbildende Elemente ein, die unsere Kommunikationsabteilung für uns entwickelt.
Vintage ist das neue Landhaus.
Wo sehen Sie im Interiorbereich etwa mit Blick auf die fortschreitende Medialisierung künftig die wichtigsten Trends bzw. Herausforderungen?
In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Zahl der Bildeindrücke, die wir täglich konsumieren, vervielfacht. Ein gewaltiger Bildercontent erreicht uns über verschiedenste digitale Kanäle. Dort sammeln und kategorisieren wir sie in Alben und Chroniken, damit wir nicht vergessen, was uns vielleicht gefiel oder wichtig war. Daraus resultiert eine Gegenbewegung, eine Sehnsucht nach dem analogen, die ich bei Kunden auf der ganzen Welt beobachte. Vintage ist das neue Landhaus, könnte man sagen. Menschen dürsten nach Geschichten und haben selbst kaum eigene zu erzählen. Dieses story telling darf gern der Innenraum, ob privat oder öffentlich, für sie übernehmen. Man beauftragt Räume, die ihre Geschichte bereits mitbringen. Unsere Aufgabe war, ist es und wird es sein, Räume zu schaffen, die für unsere Kunden relevant sind und die jenseits der Beschleunigung von Dauer sind. Wenn daraus ein Bild entsteht, dass auch anderen etwas bedeutet, ist das umso schöner.