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Identität ist das Schlüsselthema unserer Arbeit

Gunter Fleitz spricht im Interview mit der arcade über Sehnsuchtsorte, die Beatles und die Halbwertszeit von Design.

Sie arbeiten mit erzählerischen Elementen, spielen mit Traumbildern und schaffen so (Arbeits-)Räume, die starke Gefühle wecken. Grundlage ihrer Gestaltung ist immer die Identität eines Unternehmens. Am Beispiel der Revitalisierung des ‘Solo West’ in Frankfurts Toplage, dem Westend, erläuterte uns Gunter Fleitz, Mitbegründer des Architektur- und Designbüros Ippolito Fleitz, wie aus einem Büro ein Sehnsuchtsort wird.

 

Herr Fleitz, wenn man sich Ihre oft spektakulären Projekte wie jetzt das ‘Solo West’ in Frankfurt anschaut, fällt auf, dass Sie im Grunde in erster Linie Geschichtenerzähler und dann erst Gestalter sind.

Das Erzählerische war im Fall des ‘Solo West’ vom Auftraggeber, dem Projektentwickler Phoenix Real Estate, explizit gewünscht. Wir haben hier ja zum einen die Lobby als auch das Büro von Phoenix im 6. Stock gestaltet. Der klassischen, zehngeschossigen Büroarchitektur – ein Entwurf von Jo.Franzke Architekten – sollte durch die innenarchitektonische Aussage bewusst etwas entgegengesetzt werden. Wir wollten erreichen, dass sich die Lobby klar von anderen Empfangsbereichen in Frankfurter Bürohochhäusern abhebt, aber dennoch als Visitenkarte aller Mieter im Haus eine gewisse Seriosität ausstrahlt. Um schon beim Betreten eine unverwechselbare Wirkung zu erzielen, haben wir alle Wände der zweigeschossigen Lobby mit schmalen, weißen Lamellen verkleidet. Und dem hohen Raum durch die asymmetrische Spiegelinstallation an der Decke noch eine weitere Dimension gegeben. Das Reliefhafte, Unregelmäßige wird durch die Lichtplanung, die wir mit Lichtwerke Köln realisiert haben, noch unterstützt.

 

Unsere Kunden wählen uns gerade deshalb aus, weil sie unsere Arbeiten schätzen und genau den Überraschungsmoment suchen.

Im Büro der Phoenix Real Estate taucht der Besucher dann in eine geradezu exotisch anmutende Welt ein. Wie schwierig – oder auch leicht – ist es, Ihre Auftraggeber von Ihren ausgefallenen Designkonzepten zu überzeugen?

Inzwischen ist es natürlich häufig so, dass uns Kunden gerade deshalb auswählen, weil sie unsere Arbeiten schätzen und genau den Überraschungsmoment suchen. Phoenix Real Estate war so ein Glücksfall. Weil wir uns bereits durch gemeinsame Projekte kannten, wussten wir, dass das Unternehmen offen ist für Außergewöhnliches. So kam es z. B. zu der Geschichte mit den Beatles. Die vier Geschäftsführer hatten irgendwann scherzhaft festgestellt, dass jeder einem der Pilzköpfe ähnlich sieht und sie alle eine Affinität zur Beatles-Musik haben. Daraus ist dann die Idee entstanden, bei der Gestaltung der Büroräume mit bekannten Songtiteln der Liverpooler zu arbeiten.

 

Die Songtitel schweben jetzt als Neonschrift vor den beeindruckenden Dschungelvitrinen. Welche Idee steckt dahinter?

Wir wollten diesen Überraschungsmoment. Der Besucher soll als erstes in diese tropische, dschungelhafte Pflanzenwelt eintauchen, die als augenzwinkernder Verweis auf die Prozesse der Immobilienbranche gemeint ist. Durch die warmen, dunklen Holzflächen der Wandverkleidung und die geschickte Lichtführung wird diese exotische Wirkung noch verstärkt. Vom Empfang aus erschließen sich dann die offenen, überwiegend in weiß gestalteten Arbeitsbereiche, die einen fantastischen Blick auf die Stadt freigeben. Und die wir mit unterschiedlichen Kunstmotiven bespielt haben, die immer wieder zu neuen „Bühnenbildern“ arrangiert werden können. Und die alle Bezug nehmen auf das Selbstbild der Firma. Das ist gewissermaßen die zweite Ebene, das Erzählerische. Wir geben mit unserer Gestaltung ja immer gern den Anfang einer Geschichte vor. Die Unternehmensmitglieder können sie dann beliebig weitererzählen, wenn z. B. Besucher wissen wollen, was es mit den Eisbären- oder Kakteenmotiven auf sich hat.

 

Sie bezeichnen sich selbst als „Architekten der Identität“. Das klingt fast ein bisschen therapeutisch. Ist es so, dass Sie ihrer Klientel dabei helfen, Ihre Identität zu finden?

Identität ist ein Schlüsselthema unserer Arbeit, egal ob es um ein Büro- oder Restaurantkonzept geht. Da versuchen wir, in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden einen Kern herauszuarbeiten. Ich denke, uns zeichnet aus, dass wir es immer schaffen, auf eine sehr persönliche Art und Weise ein enges Verhältnis zum Kunden aufzubauen. Sonst kann man auch keine spezifischen Antworten geben. Zunächst geht es darum, die Personen des Unternehmens sowie auch die Zielgruppe möglichst gut kennenzulernen, also Nähe aufzubauen und zulassen zu können. Das ist natürlich manchmal auf Konzernebene etwas schwieriger, weil da in der Regel mehr Distanz herrscht. Aber wir haben oft die Erfahrung gemacht, dass, wenn erst mal ein Vertrauen aufgebaut, also eine Basis geschaffen ist, sehr vieles möglich ist. Und dass wir häufig, wie wir es zum Beispiel bei der Gestaltung der ‘Spiegel’-Kantine in Hamburg erlebt haben, über den eigentlichen Auftrag hinaus auch bei anderen Gestaltungsfragen hinzugezogen werden.

 

Ich denke, dass sich der Fokus hin zu einer Atmosphäre des Wohlfühlens, also hin zu den weichen Faktoren, verlagert hat, statt strikt irgendwelche Vorgaben des Marketings zu erfüllen.

Welche Rolle spielt bei all dem die Corporate Identity? Starre Konzepte werden zunehmend in Frage gestellt. Wie durchlässig muss eine CI heute sein?

Da ist in der Tat in den letzten zwei, drei Jahren eine Veränderung spürbar. Während man früher alles sklavisch der CI unterordnete, lässt dieses enge Kleben an der CI nach. Das ist auch richtig so. Es gibt z.B. manchmal Corporate-Design-Farben, die im Grunde keiner mehr sehen kann und alle froh sind, wenn man davon abweicht. In den Arbeitsbereichen genügt sowieso – wenn überhaupt – eine Akzentfarbe. Ich denke, dass sich der Fokus hin zu einer Atmosphäre des Wohlfühlens, also hin zu den weichen Faktoren, verlagert hat, statt strikt irgendwelche Vorgaben des Marketings zu erfüllen.

 

Stichpunkt: Wohlfühlen. Wie wichtig ist dieser viel besprochene Faktor im Büro den Unternehmen, für die Sie tätig sind, in der Realität denn tatsächlich?

Es ist natürlich ein Segen, wenn Unternehmen verstehen, dass sie ein Arbeitsumfeld schaffen müssen, das die Leute begeistert. Und tatsächlich stellen mittlerweile viele Firmen fest – speziell attraktive Arbeitgeber wie größere Mittelständler oder Konzerne –, dass ihre bisherige Office- Situation ungenügend ist. Und sie erkennen auch häufig den Mehrwert, wenn beispielsweise Mitarbeiter stolz auf ihr schönes Büro sind, dort gerne Zeit verbringen und sich inspiriert fühlen. Außerdem begreifen Unternehmer zunehmend, dass sie mit einem anregenden Umfeld auch Leute gewinnen können. Neben dem Gehalt und einer guten technischen Ausstattung steht die Office-Gestaltung ganz oben auf der Agenda der Arbeitnehmer. Nicht zuletzt im Bereich Softwareentwicklung kriegt man die Jungen, Kreativen nur, wenn man ein entsprechendes Umfeld bietet, statt der grau-grauen Ingenieurswelt.

 

Wir erleben immer wieder, dass von uns gestaltete Open Space-Flächen nach Fertigstellung auf viel Akzeptanz stoßen.

Generell wünschen sich Mitarbeiter noch immer eher Einzel- oder Zweier-Büros. Angesagt ist aber in der Regel Open Space. Wie löst man diesen Widerspruch?

Die Gestaltung im Open Space ist eine völlig andere, als im Einzelbüro. Auf der Fläche müssen raumgliedernde akustische Elemente und Stauraummöbel zur Atmosphäre beitragen. Über warme Farb- und Holztöne kann man dann gut feintunen. Dabei ist es für uns natürlich optimal, wenn wir den gesamten Raum gestalten können – also Wand, Boden, Decke –, als wenn es allein um die Möblierung geht. Kritischer wird es, wenn man in gemieteten Räumen eine Situation vorfindet, die nur wenig zu beeinflussen ist. Eine Kühldecke etwa kriegt man kaum gedreht. In jedem Fall ist es wichtig, dem Mitarbeiter Diskretionsraum zu geben, so dass er sich wertgeschätzt fühlt und sich gerne dort aufhält. Dazu gehört auch, dass einem nicht jeder auf den Monitor gucken kann und akustische Maßnahmen Ruhe garantieren. Zudem ist es nicht mehr so, wie noch vor 15 Jahren, dass sich alles allein um die Arbeitsplätze dreht. Viel wichtiger ist es, weitere Möglichkeiten der Kommunikation zu schaffen: Rückzugsräume, Besprechungs- und Begegnungsorte. Sodass sämtliche Arbeits- und Kommunikationsmöglichkeiten ausgeschöpft werden können. Speziell großzügige Gemeinschaftsflächen, wo alle zusammenkommen können, sind sehr wertvoll, damit ein gemeinsamer Spirit überhaupt entstehen kann. Wir erleben immer wieder, dass von uns gestaltete Open Space-Flächen nach Fertigstellung auf viel Akzeptanz stoßen und die Mitarbeiter sich sehr wohl fühlen, wenn der Prozess entsprechend begleitet und gut vorbereitet wird.

 

Wie sieht es mit der Halbwertzeit Ihrer Konzepte aus? Wie lange ist in der Regel die Gültigkeitsdauer im Office?

Unsere Konzepte sind schon auf Langlebigkeit ausgelegt. Bei den meisten unserer Kunden ist Flexibilität eines der Hauptthemen. Natürlich geht’s auch um Wohlfühl-Atmosphäre, aber es müssen Konzepte sein, die für die nächsten 15 Jahre tatsächlich taugen. Sei es im Hinblick auf Wachstum oder auch Medientechnik, die sich ja permanent weiterentwickelt. So wird es zukünftig vermutlich noch viel mehr große Screens geben, an denen gemeinsam gearbeitet wird. Aber es gibt natürlich ganz unterschiedliche Ansätze. Eine Kreativagentur z. B. will gar nicht unbedingt ein veränderbares Konzept, sondern lieber einen starken Raum.

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