„Vom klassischen Modellbau hat sich unser Büro bereits vor 15 Jahren verabschiedet und diesen durch 3D-Visualisierung ersetzt.“

Timo Flott über die FOUR SUITE und den Einsatz von 3D-Visualisierung

Was ist die Idee hinter der FOUR Suite?
Die FOUR Suite ist das wichtigste Marketinginstrument des Projektentwicklers Groß&Partner, um die Flächen des im Entstehen befindlichen FOUR-Quartiers zu verkaufen. Im Vordergrund stehen dabei die 242 Eigentumswohnungen im Turm T3. Von der FOUR Suite blickt man direkt auf die Baustelle des FOUR – ein Bild, das momentan noch Baukräne und Betongrau dominieren. Die Suite wurde entwickelt, um Kaufinteressenten eine möglichst plastische Idee ihres zukünftigen Wohntraums zu vermitteln. In den einzelnen Bereichen der Suite stellen wir unterschiedliche Wohnsituationen vor, ohne diese jedoch – wie z.B. in einer Musterwohnung – auszugestalten. Vielmehr findet man hier sozusagen Raumzitate von Küchen, Bädern usw. In jedem Bereich werden Materialmuster und Produkte präsentiert, an denen sich die Kaufinteressenten ihre Oberflächen für die im Kaufpreis enthaltene Grundausstattung auswählen können. Hier kann also tatsächlich angefasst und sinnlich erlebt werden.

Wie kam es zu der Idee der virtuellen Simulation und wie haben Sie das realisiert?
Die ausgestellten Materialien betreffen ja im Wesentlichen nur die Gestaltung von Wand, Boden und Decke. Ein wirklicher Raumeindruck wird so noch nicht vermittelt. Unser Kunde Groß&Partner hat sich deshalb eine virtuelle Simulation der Wohnungen gewünscht. Inklusive Blick nach draußen, da der in dieser Lage ein spektakuläres Highlight und Verkaufsargument ist. Für die 3D-Modellierung und die technische Umsetzung der VR-Simulation zeichnet „Raumgleiter“ aus Zürich verantwortlich. Die haben dafür das notwendige Know-how, sind aber wiederum keine Innenarchitekten. Deshalb haben wir einen 100-seitigen Styleguide entwickelt. Hier wird nicht nur der Grundausbau detailliert beschrieben, sondern auch drei vollständige Wohnungen für jeweils unterschiedliche Zielgruppen. Für diese haben wir sämtliche Ausstattungsobjekte definiert, von der Kunst an der Wand über den Teppich bis hin zur Vase auf dem Beistelltisch. Mit diesem Material wurden dann 45 Wohnungstypen vollständig durchmodelliert. Der Blick nach draußen wird wiederum für alle 242 Wohnungen realistisch simuliert.

Gibt es eine extra Rendering-Abteilung oder Digital Design Abteilung bei Ihnen? Wenn ja, wie viele Mitarbeiter haben Sie dort und welche Ausbildung haben diese jeweils gemacht?
Vom klassischen Modellbau hat sich unser Büro bereits vor 15 Jahren verabschiedet und diesen durch 3D-Visualisierung ersetzt. Eine eigene Digitalabteilung betreiben wir dafür nicht. Unsere Mitarbeiter:innen in den Entwurfsabteilungen an den drei Standorten unseres Studios haben alle hohe Skills im dreidimensionalen Modellieren. Die High-End-Renderings übernehmen dann unsere Spezialist:innen. Die haben in der Regel auch „nur“ eine klassische Ausbildung zum (Innen-)architekten, sich aber meistens schon während das Studiums für die dafür notwendige Software begeistert. Wir schauen dabei permanent nach neuen Innovationen. Für „echten“ Fotorealismus verwenden wir 3DSMax und Plugins wie VRay oder Corona. In letzter Zeit überzeugt uns aber auch Enscape, das mit weniger Aufwand zu hervorragenden Ergebnissen führt.

Was kann die deutsche von der internationalen Design-Szene lernen in puncto virtual Reality und Einsatz von 3D-Visualisierungen als Marketing-Mittel lernen?
Die Frage ist ja, wie man seine Entwürfe am besten an einen Kunden oder eine bestimmte Zielgruppe vermitteln kann. Erst dann fällt die Entscheidung für die Darstellung. Für Architekturentwürfe hat der klassische Modellbau sicher noch immer seine Berechtigung, weil sich hier Proportionen und Umgebung schnell auf einen gut erfassbaren Maßstab herunterbrechen lassen. Im Interior Design war diese Form der Übersetzung schon immer limitiert, da hier die Raumatmosphäre und das Zusammenspiel zwischen Material, Oberfläche und Raumperspektive eine große Rolle spielt. Computergenerierte Bilder können das viel besser transportieren. Für die FOUR Suite und das Vermittlungsziel unseres Kunden war die Erstellung einer 360°-Simulation ein sinnvolles Tool. Aber das ist natürlich mit hohem Aufwand verbunden, denn jeder Raum muss in alle Richtungen durchgestaltet und modelliert werden. In unserem Alltag beschränken wir uns deshalb auf einzelne Perspektiven auf die entscheidenden Raumsituationen, für die wir meist mehrere Varianten entwerfen.

Es gibt ja in Deutschland immer noch viele Vorurteile gegenüber der 3D-Visualisierung – sie ist nicht direkt erlebbar, fühlbar. Kann denn der Einsatz von digitalem Design die Sinne ansprechen?
Wir selbst haben keine Vorurteile und sind immer offen für Neues. Bei VR sind wir aus den genannten Gründen noch zurückhaltend. Außerdem kann die Simulatorkrankheit den Spaß schnell verderben. Wir verwenden deshalb hauptsächlich statische Visualisierungen. Fotorealistische Bilder zeigen dem Kunden, wie sich ein Entwurf materialisieren kann. Die Sinne kann man aber nur mit realen Materialien ansprechen. Deshalb unterhalten wir ein eigenes Materiallabor mit mehreren Mitarbeiter:innen. Dort werden aufwendige Materialcollagen erstellen, die wir unseren Kunden zur Bemusterung vor Ort präsentieren.

Welchen „Schatz“ hat die Corona-Krise der Planungsbranche geschenkt?
Die Pandemie hat Videokonferenzen als Kommunikationstool auf breiter Ebene etabliert. Alle Planungsbeteiligten werden auch in Zukunft davon profitieren, dass sich Vor-Ort-Termine nur auf wirklich notwendige Treffen beschränken werden. Gleiches gilt für weitere digitale Tools und Techniken, die ein nicht mehr ortsgebundenes kollaboratives Arbeiten ermöglichen. Die Pandemie hat aber auch ein Nachdenken bei unseren Kunden angeregt. Wie soll zukünftig ein Büro, ein Restaurant, eine Wohnung oder eine Shopping Mall funktionieren? Das sind neue Themen und Herausforderungen, die uns interessieren und die wir mit Freude und gemeinsam mit unseren Kunden angehen.

Аппартаменты FOUR
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