Die Praxis als Marke.

Der Patient muss sich aufgehoben fühlen

Der freie Zahnarzt | Februar 2021

AUTORIN: JUDITH JENNER

Erfolgreiche Praxen sind in sich stimmig, sagt Peter Ippolito, Geschäftsführer der Ippolito Fleitz Group in Stuttgart. Das interdisziplinäre Designbüro gestaltet neben Geschäften, Restaurants, Hotels und Büros auch Arztpraxen. Nicht immer sei ein kompletter Umbau nötig. Manchmal reiche schon anderes Licht – und mehr Sorgfalt und Liebe fürs Wartezimmer.

Herr Ippolito, warum ist es sinnvoll, sich Gedanken über die Gestaltung von Praxisräumen zu machen?
Peter Ippolito: Zahnärzte befinden sich wie andere Berufe auch in einer Wettbewerbssituation. Warum ich mich für einen Arzt entscheide, hat zum einen hoffentlich mit seiner fachlichen Qualifikation zu tun. Zum anderen hat es auch immer etwas damit zu tun, wie der Arzt kommuniziert. Bei der Kommunikation spielt der Raum eine extrem große Rolle. Insofern unterscheiden sich Räume von Zahnärzten nicht von anderen kommerziellen Räumen. Es sind in erster Linie Markenräume. Die Marke umfasst das Angebot, die Art wie ich kommuniziere, mich räumlich präsentiere, also im Prinzip die gesamte Customer Journey vom Anruf zur Terminvereinbarung über den Empfang bis hin zur Behandlung und Abrechnung. Das räumliche Empfinden spielt also nicht die einzige, aber doch eine wichtige Rolle für das Gesamterlebnis, besonders, weil nicht alle Menschen voller Vorfreude zum Zahnarzt gehen, sondern vielleicht mit Ängsten oder Schmerzen.

Wann ist eine Marke erfolgreich?
Wichtig ist, dass die Marke authentisch wirkt und es möglichst wenig Brüche gibt. Das heißt, die Durchgängigkeit der Aussage über alle Medien hinweg – vom Menschen, der mit mir spricht, über das Logo, den Flyer, den Raum mit seinen Geräuschen und Gerüchen bis hin zur Behandlung – muss ganzheitlich gedacht werden. Die einzelnen Bausteine der Corporate Identity müssen dabei nicht aus einer Hand kommen. Sie sollten aber die gleiche Aussage haben.

Wie lässt sich die Marke herausarbeiten?
Die wichtige Frage für uns ist: Wer sitzt mir denn da gegenüber? Ist es eine kleine oder eine große Praxis? Wie ist ihr Verhältnis zum Patienten? Handelt es sich um einen breit aufgestellten Nachbarschaftszahnarzt oder um einen Spezialisten für Kieferchirurgie? Wie kommuniziert er? Wenn der Patient das Gefühl bekommt, er tut mit dem Zahnarztbesuch etwas für seine Gesundheit und geht nicht nur „zum Bohren“, hat das schon eine ganz andere Konnotation. In Folge heißt das, eine glaubhafte Markenpersönlichkeit auszubilden, die durch den Arzt und seine Mitarbeiter verkörpert wird und die der Angebotsstruktur und dem Standort Rechnung trägt. Wirklich erfolgreiche Praxen können das und haben das verstanden.

Wie gehen Sie konkret an eine Planung heran?

Das hängt unter anderem davon ab, wie konkret die Vorstellungen des Zahnarztes bereits selbst sind. Was wir ihm bieten, ist der frische Blick von außen. Die Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung ist manchmal gravierend. Wir machen dann einen oder mehrere Vorschläge, wie sich die Marke positionieren sollte und entwickeln daraus ein Konzept. Gleichzeitig gibt es natürlich funktionale Anforderungen. So macht es einen Unterschied, ob eine Praxis ganz neu entsteht oder schon zehn Jahre existiert, sich in einem Neu- oder möglicherweise denkmalgeschützten Altbau befindet. Das Übereinanderlegen von funktionalen Anforderungen aus dem operativen Betrieb und den baulichen Gegebenheiten führt schnell zu Machbarkeitsstudien.

„Was wir den Praxen bieten ist der frische Blick von außen. Die Diskrepanz zwischen Eigen-und Fremdwahrnehmung ist manchmal gravierend. Wir machen dann einen oder mehrere Vorschläge, wie sich die Praxis als Marke positionieren sollte und entwickeln daraus ein Konzept.“ Peter Ippolito

Wichtig ist, dass man alle Entscheidungen aus der Patientensicht trifft. Er ist im Kern des Geschehens. Nur wenn er sich gut aufgehoben fühlt in allen Dimensionen, wird er die Praxis weiterempfehlen. Wertschätzung kann sich dabei in Kleinigkeiten ausdrücken: Wo kann der Patient die Zähne putzen? Ist das ein eigener Raum oder der Toilettenvorraum? Wo legt er seine Brille ab? Momente der Wertschätzung sind ein wichtiges Medium der Kommunikation.

Aber Patienten haben nicht alle die gleichen Bedürfnisse.
Das ist richtig. Deshalb können Wartezonen zum Beispiel so gestaltet werden, dass sie Raum bieten für verschiedene Charaktere, dass sowohl dem Bedürfnis nach Rückzug als auch nach Kommunikation stattgegeben wird.

Hat sich der Anspruch von Menschen an räumliche Erfahrungen verändert?
Wir leben in Mitteleuropa in einer Gesellschaft ohne Bedarfsdeckungsprobleme. Das gilt in den meisten Regionen auch für die ärztliche Versorgung. Zugleich haben wir in den vergangenen 20 Jahren eine Demokratisierung von Gestaltung erlebt, in der auch alltägliche Dinge gut gestaltet sein wollen. Weil wir die Auswahl zwischen verschiedenen Ärzten haben, suchen wir etwas, was unserer Persönlichkeit entspricht.

Sind persönliche Gegenstände oder Bilder tabu?
Zuerst gilt: Alles was auf die eigene Marke einzahlt, ist erlaubt. Wir sind keine Design-Polizei, die das Aufhängen von Postern oder Kunst verbietet. Es kann aber in Zahnarztpraxen eine „Clean Desk Policy“ sinnvoll sein, so dass persönliche Bilder beispielsweise am Tresen nicht erlaubt sind. Dann muss ich als Chef aber andere Orte bieten, in denen Mitarbeiter das Familienfoto oder die Postkarte aufhängen dürfen, beispielsweise im Aufenthaltsraum.

Welche Rolle spielen Farben?
Es gibt farbpsychologische Grundzuschreibungen. So ist wissenschaftlich belegt, dass manche Farben wie Blau beruhigen und Ängste nehmen. Andere wie Rot fördern die Aktivität. Da dieser Ton auch mit Gefahr assoziiert wird, würde ich ihn für eine Zahnarztpraxis nicht empfehlen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass pauschale Regeln selten funktionieren: Es kommt immer darauf an, wie und in welchem Zusammenhang man es macht.

Welche Unterschiede gibt es zwischen der Gestaltung von Zahnarzt- und anderen Praxen?
Die Unterschiede ergeben sich aus dem operativen Geschäft und der Art der Behandlung. So steht beim Zahnarzt üblicherweise der Behandlungsstuhl im Zentrum seiner Arbeit. Gestalterisch lässt sich überlegen, ob er tatsächlich mitten im Raum stehen muss oder die Aufmerksamkeit beim Betreten erst einmal davon abgelenkt wird. Auch der Blick des Patienten, wenn er auf dem Stuhl sitzt und die Lampe nicht angeschaltet ist, sollte bedacht werden.

Wie wichtig ist die richtige Beleuchtung?
Licht ist ein zentrales Thema, um Raum erlebbar zu machen. Es schafft bestimmte Zonen, eine Atmosphäre und baut Wahrnehmungshierarchien auf. Es ist ein Teil der Wertschätzung, die jeder sofort und meist unbewusst wahrnimmt.

Lassen sich Praxisräume auch mit wenig Aufwand verschönern?
Wenn wir tätig werden, geht es eigentlich immer um einen vollständigen Umbau. Das ist aber nicht immer nötig: Es gibt manchmal hervorragend gestaltete ältere Räume, die noch wunderbar sind, und andere deutlich jüngere, bei denen die Sache mit einmal überstreichen nicht getan ist. Ich empfehle auch hier, sich zunächst die Zielgruppe genau anzusehen. Wie entwickelt sich mein Patientenstamm und vielleicht auch das Quartier, in dem ich mich befinde? Für wen muss und für wen soll mein Angebot attraktiv sein? Und am Ende kann ich mich mit der Frage beschäftigen, wie ich das über meine Praxisräume transportieren kann. Oft hilft schon besseres Licht und mehr Liebe und Sorgfalt im Wartebereich.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei Ihren Projekten?
Das größte Moment der Nachhaltigkeit ist für uns ein Raum, der lange genutzt wird. Das ist in der Regel bei unseren Räumen der Fall. Sie sind beständig in der materiellen Umsetzung, haben aber auch einen Wohlfühlfaktor und spiegeln eine Persönlichkeit wider. Räume, die eine hohe Wertschätzung ausdrücken, dürfen altern, ohne dass es schäbig aussieht. Darüber hinaus sollten natürlich gerade im Gesundheitswesen Materialien benutzt werden, die auch unserer Sehnsucht nach haptischem Erleben und visueller Tiefe gerecht werden und sich trotzdem gut reinigen lassen. Auch Vorhänge oder Teppich sind erlaubt, wenn sie in das Gesamtkonzept passen. Wichtig ist, dass der hygienische Gesamteindruck nicht darunter leidet.

weissraum Zahnarztpraxis
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Wittlinger Hahn Stern Radiologie
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